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Carnivore-Diät und die Größe des Gehirns

Der Mensch in Nord- und Mitteleuropa war länger als 1 Million Jahre ein Fleischfresser (Carnivore) und ein großer Jäger. Bei den erlegten Tieren wurden zuerst die fett- und vitaminreichen inneren Organe verzehrt. [1] Herz, Leber, Nieren und Hirn waren die Delikatessen der frühen Menschen. Ohne diese tierischen Lebensmittel, überreich an gesättigten Fettsäuren und Cholesterin, Vitaminen und Mineralien, hätten unsere Vorfahren den Aufstieg zum modernen Menschen gar nicht bewältigen können. Es gilt heute als gesichert, dass erst diese Carnivore-Ernährung ein starkes Wachstum des Gehirns auslöste. [2,3] Die Vermessung von jüngeren Schädeln des sog. Heidelberg-Menschen (er lebte zwischen 780.000 bis 30.000 Jahren vor unserer Zeit) ergab, dass sein Gehirn sogar größer war, als das unsere heute.

Je eingehender man sich mit der Verdauung bei Fleisch- und Pflanzenfressern beschäftigt, desto klarer wird es, das der Mensch eigentlich für eine Ernährung mit Fleisch und Fett geschaffen ist.

Der Verdauungsprozess beim Menschen mit einer Carnivore-Diät ein ausgesprochen kurzer und hocheffektiver Prozess. Im Magen geschieht nur wenig; hier werden durch die starke Salzsäure (mit Nüchtern-pH-Werten wie bei Raubtieren zwischen 1-1,5) schädliche Mikroben in der Nahrung abgetötet, die Fette emulgiert (d.h. besser mit den wasserhaltigen Bestandteilen der Nahrung vermischt) und z.T. durch das Enzym Lipase gespalten, sowie das Eiweiß mithilfe des Enzyms Pepsin in Aminosäuren und Peptide (kurze Aminosäureketten) aufgelöst. Bereits nach etwa einer Stunde hat der Nahrungsbrei den Magen wieder verlassen.

Die eigentliche Verdauung erfolgt im Dünndarm: Im Zwölffingerdarm (Duodenum), dem ersten Abschnitt des Dünndarms, werden die Proteine mit proteinspaltenden Enzymen (Proteasen wie Trypsin, Chymotrypsin usw.) aus der Bauchspeicheldrüse weiter zerlegt. Gallensäfte kommen zum Nahrungsbrei hinzu, welche die Fettsäuren in der Nahrung aufschließen. Auch dieser Prozess dauert nur wenige Stunden. Durch die Darmwand werden die verdauten Nahrungsbestandteile dann in das Blut aufgenommen. Ausgeschieden wird von einer Ernährung aus Fleisch und Fett nur ein kleiner Rest – fast alles wird verwertet! [4] Damit liegt der Verdauungsapparat beim Menschen, die natürliche Ernährung aus Fleisch und Fett vorausgesetzt, die meiste Zeit brach. Er ist vergleichsweise klein und muss nicht viel arbeiten, denn die tierische Nahrung ist sehr gut verdaulich und der Mensch ist optimal daran angepasst.

Im Gegensatz zum Wiederkäuer (z.B. Rinder und Schafe) kann der Mensch die Zellulose, aus der die Zellwände pflanzlicher Lebensmittel bestehen, nicht verdauen und da beim Kauen nur wenige Zellen zerstört werden, kann der Großteil der roh verzehrten pflanzlichen Nahrung gar nicht verwertet werden. Pflanzliches Protein, Stärke oder Fett kann besser genutzt werden, wenn die Zellwände durch Kochen oder Fermentieren in größerer Zahl aufgebrochen werden; allerdings gelingt das auch nur teilweise. Daher fällt beim Menschen die Nährstoffaufnahme aus pflanzlicher Nahrung alles andere als optimal aus und die unverdauliche Zellulose passiert den Verdauungstrakt unverändert – als „Ballaststoff“ – und wird am Ende wieder ausgeschieden.

Die Unterschiede im Verdauungssystem von Pflanzen- und Fleischfressern lassen sich am Beispiel unserer nächsten Verwandten aufzeigen. Schimpansen und Gorillas sind dem Menschen sehr ähnlich, doch sie ernähren sich überwiegend von Pflanzen. Auch Schimpansen jagen und fressen gelegentlich kleinere Affenarten und selbst Gorillas sind z.T. Carnivoren, wenn man den Anteil an Kleinlebewesen und Insekten berücksichtigt, die sie mit dem Pflanzenmaterial aufnehmen. Doch der weit überwiegende Anteil ihrer Ernährung besteht aus Pflanzen.

Amber O’Hearn hat in einem Vortrag [5] auf die Unterschiede im Verdauungssystem dieser Affen und Menschen hingewiesen. Schimpansen und Gorillas – obwohl keine Wiederkäuer – verfügen über einen viel größeren Verdauungsapparat als der Mensch. Bei Ihnen machen Dickdarm und Blinddarm fast die Hälfte des Verdauungsapparates aus; Menschen weisen für diese Abschnitte des Verdauungstrakts dagegen nur wenig Volumen auf – etwa ein Fünftel. Das liegt daran, dass bei den Affen im Dickdarm die Fermentation (Gärung) der pflanzlichen Nahrung stattfindet. Beim Menschen aber machen Magen und Dünndarm die weitaus größten Abschnitte des Verdauungsapparates aus – ideal für leicht verdauliche Nahrung wie Fleisch und Fett. Ein hoher Anteil von pflanzlichen Lebensmitteln in der Ernährung führt dagegen auch beim Menschen zu Gärungsprozessen im Darm. Dafür ist sein Verdauungstrakt aber nicht geschaffen, deshalb kommt es zu den bekannten Verdauungsproblemen und in der Folge zu vielen Beschwerden und Krankheiten.

Amber O‘Hearn zieht daraus einen einleuchtenden Schluss: Der Unterhalt eines großen Gehirns beim Menschen kostet sehr viel Energie. Die Affen können sich das nicht leisten, da sie ihre Energie durch die Fermentierung von Pflanzenmaterial gewinnen müssen; ein Verdauungsprozess, der nur etwa halb so effizient ist, wie die Energiegewinnung aus Fett beim Menschen. Darüber hinaus kostet die aufwendige Verdauung beim Affen auch noch viel Energie; in der Summe hat er deshalb nicht genügend Energie übrig, um ein großes Gehirn zu versorgen. Der Mensch dagegen hat sich im Laufe seiner Entwicklung irgendwann dafür entschieden, das energiereiche Fett direkt zu verzehren und auf einen aufwendigen Verdauungsapparat zu verzichten – er hat Gehirngröße gegen Darmgröße eingetauscht. [6]

Das lässt darauf schließen, dass der Mensch an den Verzehr von Fleisch und Fett optimal angepasst ist; sein Verdauungsapparat funktioniert einwandfrei damit und erst diese Ernährung hat ihm ermöglicht, ein großes Gehirn zu entwickeln und zum modernen Menschen zu werden. Unsere nächsten Verwandten im Tierreich, die Menschenaffen, haben diesen Weg nicht beschritten. Ihre pflanzliche Nahrung erlaubt es nicht, genügend Energie für die Entwicklung eines großen Gehirns zu gewinnen.

Nachtrag

Eine recht aktuelle Studie stellt den Zusammenhang zwischen Fleischernährung und Gehirnentwicklung in Frage und deren Ergebnisse werden interessanterweise z.T. auch bei Anfragen in Internet-Suchmaschinen zum Thema mit eingeblendet. In dieser Studie [7] wird eine recht ungewöhnliche Methode angewendet: Die Fundstätten der Knochen von Beutetieren des Homo erectus in Afrika wurden über einen längeren Zeitraum verglichen und es wurde herausgefunden, dass die Anzahl dieser Knochenfunde nicht mit der Zeit anstieg, sondern starken Schwankungen unterworfen war. Wenn der Verzehr von Fleisch sich so positiv auf die Entwicklung der frühen Menschen ausgewirkt hat, dann wäre das eigentlich zu erwarten gewesen. Stattdessen wurden viele Knochenfunde um 1,85 und 1,35 Millionen Jahre vor unserer Zeit gemacht und deutlich weniger in der Zeit dazwischen.

Die Studienautoren waren der Meinung, die starke Häufung dieser Funde im besagten Zeitraum könnte auch auf eine verstärkte Suche danach zurückzuführen sein. Das hätte dazu geführt, dass zu viele Beweise dafür gefunden worden wären und andere Hinweise vielleicht nicht berücksichtigt worden wären. Diese Einschätzung ist allerdings sehr merkwürdig. Man könnte ebenso gut auch anders herum argumentieren, dass gerade durch die verstärkte Suche so viele Beweise für die Bedeutung der Fleischernährung gefunden wurden, so dass diese Hypothese als belegt gelten kann.

Die Autoren dieser Studie [7] kommen also zu dem Schluss, dass es andere Faktoren als die Fleischernährung gewesen sein müssen, welche die Gehirnentwicklung des Menschen beeinflusst haben, z.B. die eine pflanzliche Ernährung der Kinder durch die Großmütter oder der Gebrauch des Feuers, um Mahlzeiten zu kochen und damit die Nährstoffaufnahme zu verbessern.

Das klingt zunächst einmal einleuchtend, aber was wäre, wenn einfach bislang noch nicht genug Fundstellen – auch in der „Lücke“ zwischen 1,85 und 1,35 Millionen Jahre vor unserer Zeit – entdeckt wurden, um eine kontinuierliche Zunahme des Fleischverzehrs über die Jahrhundertausende zu beweisen? Fakt ist, dass Fundstellen mit einer deutlichen Häufung von bearbeiteten Tierknochen, die eindeutig auf einen verstärkten Fleischverzehr hindeuten, zeitlich erst nach dem Auftreten des Homo erectus einzuordnen sind. Und von allen frühen Menschenarten ist erst der Homo erectus der direkte Vorläufer des modernen Menschen (Homo sapiens). Die Beweisführung dieser Studie ist meiner Meinung nach nicht besonders tragfähig.

Der führende Autor dieser Studie, Andrew Barr, sagte später in einem Interview [8]: „Ich denke, diese Studie und ihre Ergebnisse sind nicht nur für die Paläoanthropologen interessant, sondern auch für alle die Menschen, die heute ihre Ernährung auf eine der vielen Versionen der Carnivore-Erzählung stützen. Unsere Studie unterminiert die Idee, dass der Verzehr großer Mengen Fleisch evolutionäre Veränderungen in unseren frühen Vorfahren hervorgerufen hat.“ Soll man diese Bemerkung so bewerten, dass es ihm und seinen Kollegen bei dieser Studie eher darum ging, Argumente für ein (ernährungs-)politisches Statement zu liefern? Ein ungutes Gefühl bleibt.

  1. Roberts M: Man the Hunter returns at Boxgrove. British Archaeology, Nr. 18, Oktober 1996.
  2. Eaton SB, Eaton SB: Evolution, Diet and Health. Abteilung für Anthropologie und Radiologie, Emory Universität, Atlanta, Georgia.
  3. Cordain L: The Paleo Diet. Hoboken NJ 2002, John Wiley and Sons, Inc.
  4. Voegtlin WL. The stone age diet. Based on in-depth studies of human ecology and the diet of man. New York: Vantage Press; 1975
  5. O’Hearn A: The Lipivore: What is Fat for?Video, Youtube Kanal „Low Carb Down Under“, https://www.youtube.com/watch?v=xAWReEm4l0w, Min. 0:45 bis 2:15, abgerufen am 27.11.2024
  6. O’Hearn A: Ketosis Without Starvation: the human advantage. Apr 11, 2018. https://www.mostly-fat.com/2018/04/ketosis-without-starvation-human- advantage/, abgerufen 28.11.202
  7. Barr A, Pobiner B, Rowan J, at al: No sustained increase in zooarchaeological evidence for carnivory after the appearance of Homo erectus. Anthropology, January 24, 2022, 119 (5) e2115540119
  8. o.V.: New Study Calls Into Question the Importance of Meat Eating in Shaping Our Evolution, January 25, 2022. Media Relations. Office of Communications and Marketing, 2000 Pennsylvania Avenue NW, Suite 300, Washington, DC 20006
Bild: Jesus Gonzales auf Pixabay
Carnivore-Diät Fleischernährung